Mit Kostendisziplin und Prioritätensetzung in die zweite Halbzeit
Es ist Sommer 2023. Die politische Sommerpause markiert zugleich die Halbzeit der Wahlperiode. Zeit, für eine Standortbestimmung – auch bei der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft.
Die Bilanz fällt verhalten aus. „Als gewählte Kommunalpolitikerinnen und -politiker wollen wir gestalten, unsere Stadt bereichern und weiter voranbringen“, fasst die Fraktionsvorsitzende Claudia Schlick (FWG) ihre Motivation zusammen. Doch das koste Geld. Geld, das den Kommunen – und so auch Friedrichsdorf – derzeit fehlt. Im Umgang mit dieser Situation unterscheiden sich die Fraktionen. „Wir vermissen beim Bürgermeister und bei anderen Fraktionen eine deutliche Kostendisziplin und erkennbare Prioritätensetzungen“, bedauert der Vorsitzende des Haupt- und Finanzausschusses, Thilo Seesemann.
Zu einfach sei es aus Sicht der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft, alles Wünschenswerte zu beschließen und dafür eben einfach die Steuern zu erhöhen. Denn viele Haushalte und Gewerbetreibende hätten bereits mit den Kostenexplosionen an vielen Stellen schwer zu schaffen.
Zum Beispiel wurde gerade ein Mobilitätskonzept gegen die Stimmen der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft auf den Weg gebracht. Kostenpunkt: mehr als eine halbe Millionen Euro, incl. Personalkosten für den städtischen Mobilitätsmanager. Unbekannt sind die Kosten der folgenden Umsetzung. „Grundsätzlich kann ein Mobilitätskonzept den innerstädtischen Verkehr strukturieren. Wir hatten aber zuletzt das Gefühl, dass der Rahmen der Vorstudie zu Lasten des Einzelhandels und mobilitätseingeschränkter Menschen geht“, erläutert Schlick und ergänzt „wir befürchten, dass die Überlegungen einseitig am Bedarf vorbeigehen“. Aus Kosten-Nutzen-Aspekten habe die Fraktion daher eine Rücküberweisung in den Ausschuss beantragt und die Erstellung des Mobilitätskonzepts schlussendlich abgelehnt.
Es gebe ein Klimaschutzkonzept, ein Radverkehrskonzept, ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK), Konzepte aus Planungswerkstätten am Houiller Platz und Fritz-Levermann-Platz. „Wir haben diesen Formaten überwiegend zugestimmt oder sie sogar (mit-)beantragt. Aktuell fragen wir uns jedoch, ob diese teuren Konzepte eine zügige und ganzheitliche Umsetzung tatsächlich befördern“, räumt Schlick selbstkritisch ein.
Viele gesammelte Maßnahmen seien wünschenswert. „Aber haben wir das Geld für diese vielen Maßnahmen? Müssen wir nicht erst Maßnahmenkataloge umsetzen, bevor wir neue beschließen“, fragt Seesemann.
Ein teures Projekt sei auch die neue Stadtbibliothek. Der habe die Fraktion nicht zugestimmt, obwohl eine neue Bibliothek – noch dazu am Houiller Platz – eine Bereicherung für alle Altersgruppen sei. Aber auch diese koste mehr als 2 Mio. Euro, plus jährliche Folgekosten im sechsstelligen Bereich. „Es geht uns nicht ums Sparen um jeden Preis, sondern um eine Kosten-Nutzen-Betrachtung in Zeiten leerer Kassen“, betont Seesemann.
Wichtig sei der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft beispielsweise der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuung, ganz besonders auch der Schulkinderbetreuung. Hier würden aktuell große Anstrengungen unternommen, durch Modulbauten in Friedrichsdorf, Köppern und Burgholzhausen vorhandene Plätze zu erhalten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfordere es aber, dass weitere Plätze geschaffen werden. Nicht erst 2026, wenn die Erstklässler einen Rechtsanspruch darauf haben. Hier sei aber auch der Kreis in Form weiterer Betreuter Grundschulen mit in der Pflicht.
Engpässe sieht die Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft auch bei seniorengerechten Wohnformen. Der Bau und Betrieb eines Seniorenheims oder Betreuten Wohnens sei zwar keine kommunale Aufgabe, solle aber bei Grundstücksgeschäften der Stadt mitbedacht werden.
Bei einem Rückblick darf auch der Bruch der Koalition nicht fehlen. „Wir hatten in der letzten Wahlperiode eine wirklich tolle und lösungsorientierte Zusammenarbeit mit den Grünen und der SPD über Fraktionsgrenzen hinweg. Schlussendlich war es nach der Kommunalwahl das Selbstverständnis neu gewählter Stadtverordneter, das gemeinsame Initiativen schwierig machte“, bedauert Schlick. Die Absolutheitsansprüche der Grünen hätten sich auch in der Art und Weise des Koalitionsbruchs widergespiegelt. „Wir hätten uns ein Gespräch auf Augenhöhe gewünscht“, ergänzt Schlick.
Die neuen politischen Verhältnisse forderten alle Fraktion. Es werde mehr um Lösungen gerungen, mehr aufeinander zugegangen. Das wirke sich auch atmosphärisch positiv aus, ist sich Schlick sicher. Ob es eine neue Koalition gäbe, wollte diese Zeitung wissen. „Wir haben zwar davon gehört, dass Grüne und CDU koalieren möchten. In den letzten Stadtverordnetenversammlungen offenbarten sich allerdings erneut sehr unterschiedliche Grundhaltungen, die eine Koalition erschweren dürften“, vermutet Schlick.
Die Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft strebe hingegen aktuell keine neue Koalition an.
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