Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Claudia Schlick zur Wohnbauentwicklung Backesgärten in der Stadtverordnetenversammlung am 21.12.2020
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren,
in den letzten Tagen wurde in der Zeitung viel zum Thema Backesgärten und zur heutigen Sondersitzung berichtet. So manche Pressemitteilung der Opposition bedarf aus unserer Sicht der Richtigstellung. Ich bitte bereits jetzt um Nachsicht, wenn mein heutiger Beitrag in Teilen an eine Vorlesung im Studienfach Kommunalrecht erinnert.
Zunächst zur Sondersitzung am heutigen Tag:
§ 1 Abs. 2 Ziffer 1 der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung lässt unverändert Sitzungen kommunaler Gremien zu. Sogar in Hotspots, wo Ausgangsbeschränkungen gelten.
Gerade in Krisenzeiten ist das Funktionieren der demokratisch gewählten Gremien von besonderer Wichtigkeit. Darüber herrschte in den letzten Monaten stets Konsens. Warum jetzt plötzlich nicht mehr? – das müsste die Opposition beantworten.
Die Stadtverordnetenversammlung von Friedrichsdorf hat in diesem Jahr – mit Unterbrechung von einer Sitzung im April – öffentlich und unter Beachtung von Schutzabständen getagt.
Am 02.11.2020 lag der 7-Tage-Inzidenz im Hochtaunuskreis bei 123,1, am 30.11.2020 bei 105,4. Heute liegt er bei 108,1. Verstehen Sie mich nicht falsch: das ist nach wie vor zu hoch. Doch möchte ich sagen, dass unsere letzten beiden Sitzungen bei einer ähnlich hohen, oder sogar noch höheren Inzidenzzahl stattfanden.
Bemühungen, den Sitzungsverlauf besonders straff, etwa durch eine schriftliche Beantwortung der Anfragen zu gestalten, waren in den letzten Sitzungen Seitens der Opposition nicht zu erkennen. Das Gegenteil war der Fall, wie man in der öffentlichen Niederschrift der Stadtverordnetenversammlung am 02.11.2020 in TOP 1.1 nachlesen kann.
Die Opposition hat in den letzten Tagen immer wieder kritisiert, dass es sich heute um eine Sitzung handelt, die nicht im Sitzungskalender stand. Ja, das ist richtig. Aber die Ladung erfolgte nicht im rechtsfreien Raum:
Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Gemeindeordnung muss die Stadtverordnetenversammlung unverzüglich einberufen werden, wenn es ein Viertel der Gemeindevertreter verlangt.
Und das ist heute so. Mit einem Quorum von einem Viertel handelt es sich dabei um ein Minderheitenrecht. Und mit der Einladung zur Sitzung korrespondiert die Pflicht eines jeden gewählten Vertreters, an der Sitzung teilzunehmen (s. Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung, § 1 Abs. 1.).
Ein Recht, eine ganze Fraktion zu entschuldigen, sieht übrigens weder die Hessische Gemeindeordnung, noch die Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung, noch das Infektionsschutzrecht vor.
Das Fehlen von gleich zwei Fraktionen ist dabei besonders bemerkenswert. Hatte die Fraktionsvorsitzende der CDU doch gegenüber der FAZ, Rhein-Main-Zeitung vom 12.12.2020 Gesprächsbereitschaft – auch zu einer Sondersitzung – signalisiert. Nun ja, inzwischen müssen wir vermuten, dass diese konziliante Aussage nicht ernst gemeint war.
Öffentlich in Frage gestellt wurde auch, ob das Zusammentreten der Stadtverordnetenversammlung zu einem Tagesordnungspunkt verhältnismäßig sein. Meine sehr geehrten Damen und Herren: Ja, das ist es. Es ist sogar der Einberufung einer Sitzung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Gemeindeordnung auf Verlangen von 25 % der Gemeindevertreter immanent.
Und wir tun es vor allem, um Schaden für die Stadt Friedrichsdorf abzuwenden. Das ist unsere Pflicht als Stadtverordnete.
In der Zeitung wurde berichtet, dass mehrere Kommunen statt der Stadtverordnetenversammlung den Haupt- und Finanzausschuss nach dem neuen § 51a der Hessischen Gemeindeordnung geladen haben. Man hätte dies so verstehen können, als dass dies eine Lösung für Friedrichsdorf wäre. Daher eine kurze Erklärung hierzu: Einen endgültigen Beschluss hätte der Haupt- und Finanzausschuss nicht treffen können. Zum einen gab es ja bereits einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung. Zum anderen müssen Entscheidungen, die nach dem Eilentscheidungsrecht des Haupt- und Finanzausschusses getroffen werden, auf die Tagesordnung der nächsten Stadtverordnetenversammlung und können dort wieder aufgehoben werden. Die benötigte Rechtssicherheit wäre auf diesem Weg also nicht erzielbar gewesen.
Nun zu den Backesgärten:
Am 26.01.2017 hat die Stadtverordnetenversammlung einstimmig folgendes beschlossen:
Die Entwicklungsfläche Backesgärten ist zum größten Teil in privatem Besitz. Falls die Flächen von einem privaten Investor entwickelt werden sollen, wird der Magistrat den Investor grundsätzlich hierbei unterstützen. (s. Beschluss-Vorlage 142/2016, Seite 2)
Das ist nun erfolgt.
Am 17. bzw. 18.11.2020 haben wir im Ortsbeirat, im Bauausschuss und im Haupt- und Finanzausschuss über die Backesgärten beraten. Wir hatten alle Gelegenheit, unsere Fragen zu stellen. Und wir haben die Gelegenheit genutzt.
Dann kam die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 30.11.2020: Der Stadtverordnete Schlocker, CDU, hat uns mit falschen Zahlen bewusst in die Irre geleitet und es folgte, was er erreichen wollte: Beim Thema „bezahlbarer Wohnraum“ waren wir in einem Dilemma. Wir konnten einerseits nicht Nein sagen, wollten aber andererseits nicht dem Projekt den Todesstoß geben. Und Herr Schlocker mit seiner CDU lachte sich munter ins Fäustchen.
Wir haben einen Fehler gemacht, indem wir uns auf den Antrag von Herrn Schlocker eingelassen haben. Wir hätten es wissen müssen. Die CDU hat in den letzten fünf Jahren kein einziges Projekt mit bezahlbarem Wohnraum unterstützt. Und immer wieder gesagt, dass bezahlbarer Wohnraum nicht das Thema der CDU ist. Zum Beispiel in der Taunus Zeitung vom 01.12.2020, unter der Überschrift „Bekenntnis zu Gewerbegebiet und Parkplätzen“.
Wer arbeitet, dem passieren auch Fehler. Zu einer guten Fehlerkultur gehört aber auch, Fehler einzugestehen und aktiv dafür zu sorgen, dass sie beseitigt werden. Deshalb sind wir heute zusammengekommen.
Wir stehen zu dem Beschluss, den wir am 26.01.2017 getroffen haben.
Wir stehen zu einer Bebauung der Backesgärten.
Und wir finden es gut, dass auf dem Gelände fünf bezahlbare Wohnungen entstehen und die Stadt die Fläche ihres Grundstücks verdoppeln konnte.
Noch ein Wort zu einem Thema, was in den letzten Tagen für uns sehr überraschend thematisiert wurde: Die Opposition hat kritisiert, dass der Investor nicht selbst als Bauträger auftritt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition: Wisst ihr eigentlich, was ihr wollt? Werden Gebiete gleichförmig von einem Bauträger bebaut, kritisiert ihr die Gleichförmigkeit von Reihenkettenhäusern. Nun sind individuelle Gebäude möglich, kritisiert ihr die.
Bemerkenswert ist übrigens auch, dass der so genannte baupolitische Sprecher der CDU kritisiert, dass ein Investor möglicherweise Gewinne generieren könnte. Dass Herr Schlocker selbst Vertreter der Immobilienbranche ist, wirkt wie ein Schildbürgerstreich.
Wir stehen heute zu unserer politischen Verantwortung. Wir zeigen uns verlässlich, indem wir zu unserem im Jahr 2017 gefassten Beschluss stehen.
Und wir werden den Weg für die Bebauung des Gebiets Backesgärten frei machen.
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