Rede zum städtischen Haushalt in 2023
In der gestrigen Sitzung des Friedrichsdorfer Stadtparlaments wurde unter anderem über den Haushalt für das Jahr 2023 abgestimmt. Bereits in den vorangegangen Ausschussrunden gab es dazu kontroverse Debatten: Soll der Umzug der Stadtbibliothek an den Houiller Platz trotz der bekannten Mehrkosten stattfinen? Welche alternativen Einsparmaßnahmen zur Haushaltsentlastung gibt es? Und: inwieweit müssen künftige Abgaben und Gebühren erhöht werden, um einen stabilen Haushalt sicherzustellen? In ihrer Haushaltsrede äußerte sich unsere Fraktionsvorsitzende Claudia Schlick zur Position der FWG-Fraktion:
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir leben in einer Zeit mit vollkommen neuen Herausforderungen, Ungewissheiten und Erschwernissen. Kostenexplosionen bei den Lebenshaltungskosten, die Energiekrise und die galoppierende Inflation belasten die Bevölkerung in einem historischen Umfang.
Wir erleben an unserem Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld, wie immer mehr Menschen trotz Arbeit und Nebentätigkeit um ihre Existenz bangen, sich alltägliche liebgewonnene Dinge oder sogar Ausgaben der Grundversorgung nicht mehr leisten können.
Wir erleben, wie viele Unternehmen, Gaststätten, Geschäfte schon längst am Limit oder darüber hinaus sind und sich fragen, wie sie das noch alles stemmen sollen.
Und genau in dieser Zeit müssen wir uns mit dem städtischen Haushalt befassen.
Für mich waren es die 22. Haushaltsberatungen. In meiner Wahrnehmung waren es die schwierigsten.
Das hat mehrere Gründe:
- Zum einen umgibt uns aktuell eine rasante Veränderungsdynamik. Die Veränderungsliste der Verwaltung bildet nur ein kleines Abbild dessen, was in den nächsten 12 Monaten noch auf uns zukommen wird. Die Höhe der Kreisumlagen ist uns ebenfalls nicht bekannt. Wir haben das Ruder also nicht vollends in der Hand.
- Zum zweiten sind die Sparbücher aufgebraucht. Zusätzliche Maßnahmen – und seien sie auch noch so wünschenswert – belasten direkt die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Und denen steht – zumindest nach unserer Einschätzung – das Wasser bereits bis zum Hals.
- Und last but not least schien uns die Bewertung der allgemeinen Finanzlage der Friedrichsdorfer Einwohnerinnen und Einwohner zwischen den Fraktionen sehr heterogen. Während wir den Gürtel eng schnallen wollten, war für andere Fraktionen das eine oder andere Sahnehäubchen kein Problem.
Den Gürtel enger schnallen zu wollen, bedeutet für uns nicht: Streichen um jeden Preis. Wir sind froh, dass wir auch im Jahr 2023 die Kinderbetreuung weiter ausbauen können, wichtige Infrastrukturmaßnahmen und die Digitalisierung der Verwaltung fortsetzen können und wir in die Energieeffizienz unserer Stadt investieren.
Die Fraktion der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft ist aber der Meinung, dass in diesem Jahr Ausgabenreduzierungen vor Steuererhöhungen stehen müssen. Das führte dazu, dass wir auch unbequeme Themen angesprochen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Vor einem Jahr hätte sicher niemand von uns allen geglaubt, dass wir in diesem Winter bei maximal 19 Grad frierend in unseren Büros sitzen, mitten im Weihnachtsgeschäft Rolltreppen in den Kaufhäusern stillstehen und wir uns bei hälftig ausgeschalteten Straßenbeleuchtungen im Dämmerlicht durch Friedrichsdorf bewegen.
Umso erstaunter waren wir, wie viele Tabus doch die Beratungen beherrschten.
Einige Großstädte haben ihre Brunnen ausgestellt, um Energie und Kosten zu sparen. In Friedrichsdorf ist dies selbst für naturverbundene Stadtverordnete außerhalb der FWG undenkbar.
Am 15.09.2022 erklärte uns der Magistrat, dass die Stadtpolizei täglich zwischen Fuß- und PKW-Streife wechselt und Dienstfahrräder zur Verfügung stehen. Die daraus folgende Anregung der FWG, den städtischen Fuhrpark aus drei Stadtpolizeiautos und zwei allgemeinen Fahrzeugen – selbstverständlich zum Ende von Vertragsbindungen – zu reduzieren, schien dennoch vollkommen unangemessen.
Die Frage, ob die Beauftragung des Mobilitätskonzepts nicht noch ein weiteres Jahr warten könne, ließ alle Ampeln auf Rot springen.
In ein besonders großes Wespennest stießen wir offenbar, als wir Einsparpotenziale bei Sitzungsgetränken oder dem Streaming der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung ausmachten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja – Politik kostet. Aber wäre es nicht ein gutes Signal gegenüber den Steuerzahlenden, bei uns selbst zu beginnen? Auch wenn wir bei unseren Sitzungsgeldern bereits sehr bescheiden sind?
Beim Streaming wird immer wieder der große Mehrwert an Transparenz genannt. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen nicht mehr in den Sitzungssaal zu kommen, der Sitzungssaal kommt ins Wohnzimmer. Das ist richtig. Hinzu kommt eine zeitliche Unabhängigkeit. Und nicht zu vergessen ist, dass die Nachschau der Videoaufzeichnung für uns selbst eine gute Schule zur Verbesserung der eigenen Rhetorik ist.
Aber schauen wir auch einmal auf die Kosten:
Die zurückliegenden 5 Sitzungen führten zu Wiedergabezeiten von insgesamt 383,9 Stunden. Das ergibt bei Gesamtkosten von 12.500 Euro für fünf Sitzungen einen Preis von 32,56 Euro pro Wiedergabestunde.
Schaute sich also ein und dieselbe Person eine komplette Sitzung von drei Stunden an, kommen wir auf Kosten, die dem Zweiten Rang in der Oper oder einem zweimonatigen Abo für die Taunuszeitung entsprechen.
Und dies für eine Leistung, die es im Sitzungssaal live und in voller Länge gibt.
Von der Fraktion der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft gab es keinen einzigen Antrag, der mit Mehrausgaben verbunden wäre. Für uns passt es nicht in die Zeit, einen mit dem Damoklesschwert von Steuererhöhungen versehenen Haushaltsplanentwurf mit weiteren Ausgaben aufzublähen.
Natürlich haben auch wir Ideen, die Friedrichsdorf reicher machen.
Natürlich sind ideale Sportbedingungen für unsere Gesundheit, die Entwicklung unserer Kinder und die Integration förderlich.
Aber passt eine zweite Flutlichtanlage zur Energiekrise? Können Sporttreibende in Friedrichsdorf in den Umkleidekabinen nicht weiterhin ähnlich zusammenrücken bzw. diese rollierend nutzen, wie dies in Seulberg, Burgholzhausen und Köppern gelingt?
Wir sind uns sicher: Die Bürgerinnen und Bürger werden gerade in den „mageren Jahren“ verstehen, dass die Umsetzung der einen oder andere Maßnahme wünschenswert, aber in finanzwirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht sofort möglich ist.
Die Stadtbibliothek haben wir uns am letzten Dienstag für den Schluss aufgehoben. So konnten wir die Auswirkungen auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in der Gesamtschau des Haushaltes betrachten.
Ein positives Resultat der Sitzung war, dass wir gemeinsam so viel Luft aus dem Haushalt gelassen haben, dass sich das Defizit auf 4,8 Mio. reduzierte. Ich wiederhole – wir haben Luft aus dem Haushalt gelassen, keine echten Einsparungen vorgenommen.
Ehrlich gesagt sind wir darüber etwas schockiert. Denn wir erwarten, dass uns ein Entwurf vorgelegt wird, der den Haushaltsgrundsätzen der Sparsamkeit und Haushaltswahrheit entspricht. Wie sich im Laufe der Sitzung anhand einiger großzügig bemessener Positionen zeigte, war dies trotz aktueller Änderungsliste des Magistrats offenbar nicht immer der Fall.
Für die nächsten Haushaltsberatungen wünschen wir uns, dass sich die Politik auf die wirklich politischen Fragen beschränken kann.
Leider ist auch ein Defizit von 4,8 Mio. Euro sehr ernüchternd. Entspricht es doch einer Grundsteuererhöhung auf 595 Punkte.
595 Punkte, das sind aus unserer Sicht deutlich zu viel.
Bereits zu Beginn der Haushaltsberatungen hatten wir folgendes klargestellt:
Eine Stadtbibliothek am Houiller Platz ist eine Bereicherung. Aber eben nur, soweit sie nicht auf Kosten der Steuerzahlenden geht.
Mit einem Inflationsausgleich in Form einer Grundsteuererhöhung von bis zu 50 Punkten könnten wir gerade noch leben. Und dies sei bereits eine arge Zumutung für die gebeutelten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Und da Bau und Einrichtung der neuen Stadtbibliothek einem steuerrechtlichen Äquivalent von 100 Punkten entsprechen, ist diese Maßnahme aus unserer Sicht zu viel.
Natürlich ließen sich Grundsteuerpunkte auch an anderer Stelle einsparen, wie im Finanzausschuss am Ende angemerkt wurde. Anders als beim Schwimmbad, dem Sportpark oder der Heizungsanlage im Forum stehen wir bei der Stadtbibliothek vor der Entscheidung: Können wir uns eine neue Bibliothek am Houiller Platz leisten, können wir dies den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zumuten? Es geht nicht um die Schließung etablierter Einrichtungen, sondern eine Neuausrichtung.
Zudem geht es um einen langfristigen Mietvertrag. Die Kosten sind also viele Jahre lang zu schultern. Und die Kosten für das vielfach gepriesene erweiterte Angebot werden nach der Fertigstellung weit über die reinen Kosten für die erweiterten Räumlichkeiten hinausgehen. Dessen sollte man sich bewusst sein.
Die Fraktion der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft hat alle mit der neuen Stadtbibliothek verbundenen Kosten abgelehnt. Hätten das alle Fraktionen getan, könnten wir heute über einen Steuersatz der Grundsteuer von 495 Punkten abstimmen.
Von den meisten Fraktionen, die eine Verknüpfung von Steuererhöhung auf 595 Punkte und Stadtbibliothek kritisieren, kam übrigens kein Vorschlag, wo sich vergleichbare Einsparungen erzielen ließen. Das ist OK. Nur sollte man dann auch akzeptieren, dass es gerade die Stadtbücherei als neue zusätzliche freiwillige Maßnahme war, die eine saftige Zufuhr Grundsteuer nötig machte.
Leider sind die Steuererhöhungen nicht die einzige Last, die die Bürgerinnen und Bürger in Friedrichsdorf hart treffen wird.
Es steigen auch die Gebühren für Abfall, Abwasser- und Frischwasser.
Meine sehr geehrten Damen und Herren: Das ist schmerzhaft und natürlich bedauern wir das.
Und doch erfolgten die Gebührenanpassungen aus wichtigem Grund. Denn sie sind Ergebnis von Ausschreibungen und Kostenkalkulationen. In den Gebührenhaushalten gilt nach § 10 des Kommunalen Abgabengesetzes das Kostendeckungsgebot und Kostenüberschreitungsverbot. Das sind die Flanken, innerhalb derer wir uns bewegen.
Als Stadtverordnete tragen wir die Verantwortung für einen rechtmäßigen und damit genehmigungsfähigen Haushalt. Dazu gehören auch die Gebührenhaushalte. – Auch, wenn es schmerzhaft ist.
Und der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft ist noch etwas Weiteres wichtig: Wir möchten kommende Generationen nicht belasten.
Ein nur sehr schwacher Trost ist es, dass sich Gebühren im Unterschied zu Steuern nach der tatsächlichen Inanspruchnahme von Leistungen bemessen. Gebühren lassen sich durch eigenes Verhalten beeinflussen, Steuern nicht.
Wir stimmen heute über einen Haushalt ab, mit dem wir nicht zufrieden sind. Wir hätten den Bürgerinnen und Bürgern die drastische Erhöhung der Grundsteuer erspart. Dass die Mehrheit der Fraktionen dies anders sieht, wurde jedoch spätestens bei der Abstimmung zur Stadtbibliothek deutlich.
Das ist Demokratie.
Im Ergebnis betrachten wir es aber als Teil unserer politischen Verantwortung, die Stadt durch den Beschluss des vor uns liegenden genehmigungsfähigen Haushaltes im Jahr 2023 handlungsfähig zu machen. Wir werden dem Haushalt daher zustimmen.
Denn das Privileg, Sahnehäubchen zu beschließen ohne sich um die Finanzierung zu kümmern, liegt auf der anderen Seite des Sitzungssaals.
Ich schließe mit unserem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachämter und der Stadtwerke für ihr Engagement zum Wohle unserer Stadt. Herzlichen Dank für die Geduld, die Sie für Vorschläge und Fragen der Stadtverordneten sicher manchmal aufwenden müssen.
Unser Dank gilt den Vertretern der Presse, die über das Geschehen in unserer Stadt berichten.
Ihnen und Euch, verehrte Kolleginnen und Kollegen – auch in der Jugendvertretung, dem Seniorenbeirat und dem Ausländerbeirat -, danken wir für die konstruktive Zusammenarbeit.
Haben Sie eine schöne Advents- und Weihnachtszeit und kommen Sie gesund ins neue Jahr.
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