Haushaltsrede 2022
Am 25.11.2021 fand die letzte Stadtverordnetenversammlung des Jahres im Forum Friedrichsdorf statt. Neben den Anträgen zur Ernennung einer / eines Behindertenbeauftragen, Informationen zur Wohnraummobiliserung oder der Beschilderung zur Linie 56 stand der Haushaltsplan für das kommende Jahr im Mittelpunkt.
Dieser führte bereits im Vorfeld zu einigen Diskussionen, da nicht jede Fraktion mit dem Ergebnis zufrieden war.
Hier die Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Claudia Schlick im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren,
vor wenigen Tagen wurde mein Zug hinter dem Bahnhof Rödelheim fehlgeleitet. Der Fahrer meldete, wir führen nun nach Eschborn, dort würde er wenden, zurück nach Rödelheim fahren und von dort Richtung Friedrichsdorf. Gesagt getan. In weniger als 20 Minuten waren wir wieder auf dem richtigen Gleis. Ähnlich wie die S-Bahn mussten wir alle in den letzten zwei Jahren immer wieder anhalten. Den Standort neu bestimmen. Umkehren. Neu beginnen. Auch wenn die Situationen in ihrer Dimension schwer zu vergleichen sind, zeigt sich, wie sehr ein gemeinsames Erleben uns zusammenschweißt. In der S5 unterhielten sich bisher fremde Fahrgäste plötzlich miteinander, und auch während der Pandemie zeigt sich eine große Hilfsbereitschaft untereinander. Eine Hilfsbereitschaft auch in Friedrichsdorf, die wir an dieser Stelle einmal herausheben wollen.
Pläne zu schmieden, ist uns – egal ob beruflich oder privat – selten möglich. Mehr denn je leben wir in einer Zeit eines stetigen Wandels, stetiger Veränderungen und ständiger Unsicherheiten. Das zeigt sich auch in der Friedrichsdorfer Kommunalpolitik. Die Planungswerkstatt Houiller Platz war für das Jahr 2020 geplant, sie soll nun 2022 kommen. Bewilligungsbescheide des Landes und auch Baugenehmigungen ließen besonders lange auf sich warten. Rohstoffe sind knapp. Wir haben auf Abgaben, etwa im Bereich der Kinderbetreuung oder der Sondernutzung verzichtet. Und wir mussten Ausgaben für Güter tätigen, die wir vor der Pandemie gar nicht kannten.
Entscheidungen, die der Pandemie geschuldet waren, haben wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, einvernehmlich getroffen. Wohl wissend, dass diese sich auch auf den Haushalt auswirken. Das gilt auch für die Ideen, die bei den Runden Tischen zum so genannten „Neustart nach Corona“ ausgetauscht wurden. Wir begrüßen die Förderung von Vereinen, dem Ehrenamt, Jung und Alt, Handel und Gewerbe. Wir wissen aber auch, dass nahezu alle Maßnahmen Geld kosten – in der Summe viel Geld. Unterm Strich ist es nun ein Privileg der Opposition, als mutige und spendable Krisenmanager aufzutreten, sich aber bei Vorlage des Haushaltes entsetzt über die Finanzlage zu zeigen.
Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Haushalt ist defizitär. Und anders als in den Vorjahren sind die Rücklagen nahezu aufgebraucht. Die Haushaltsberatungen wurden daher, und dafür gilt mein Dank an die Kolleginnen und Kollegen im HFWD, sehr maßvoll betrieben. Anträge für größere neue Projekte blieben aus. Auch in der Konstituierungsphase nach der Kommunalwahl haben wir uns bemüht, Maß walten zu lassen. Wir haben keine neuen Ausschüsse installiert und auch die Ausschussgröße angemessen gehalten.
Ohne unsere Stimmen beschlossen wurde ein Streaming der Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung. Veranschlagt sind mehr als 3.000 Euro pro Sitzung, was aus unserer Sicht viel Geld ist. Den Haushalt prägen die Themen Kinderbetreuung, Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Bahnhof und Mobilität, Klimaschutz sowie öffentliche Einrichtungen. Besonders freuen wir uns, dass am Friedrichsdorfer Bahnhof endlich ein helles Licht am Ende des Tunnels sichtbar ist. Es gibt wenige Einzelmaßnahmen, die Stadtverordnete 20 Jahre lang beschäftigen können. Im Februar 2002 stand der Beschluss über den barrierefreien Umbau des Bahnhofs erstmals auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Damals war noch der Geruch von warmen Babybrei typisch für Friedrichsdorf, am Spießwald schepperten die Medizinfläschchen der Tettauer Glaswerke, gegenüber an der Plantation schwitzten Sport treibende und der Röder-Bus, der zwischen Köppern und dem Bahnhof in Bad Homburg verkehrte, bildete die einzige Buslinie.
Die Schließung der Produktionsstandorte bedauern wir. Und doch zeigen die Beispiele die rasante Entwicklung, die Friedrichsdorf in den letzten zwei Jahrzehnten gemacht hat. Sie markieren aber auch, dass für manche Maßnahmen unserer aller Durchhaltevermögen gefordert ist. Dazu gehört auch das Thema Wohnen. Wir sehen weiterhin einen Bedarf im mittleren und niedrigen Preissegment. Der Kollege vom Lebendigen Friedrichsdorf hat dies in der letzten Sitzung deutlich gemacht und dabei sicher stellvertretend für viele junge Leute seines Alters gesprochen.
Aber nicht nur das. Am 9. November titelte die FAZ: „Hohe Mieten vertreiben die Fachkräfte“ und verwies auf eine Umfrage der Wirtschaftsprüfung PwC. Und der Regionalverband Frankfurt Rhein / Main veröffentlichte im Oktober, wie viele Wohnungen je 1000 Einwohner in den letzten 5 Jahren durchschnittlich fertig gestellt wurden. Der Hochtaunuskreis nimmt
mit 2,7 Wohnungen einen der hinteren Ränge ein. Dazu gibt es innerhalb das Stadtverordnetenversammlung unterschiedliche Meinungen, die auch in der letzten Sitzung diskutiert wurden. Das gehört zur Demokratie dazu. Schade finden wir, wenn statt dem Austausch des Für und Wider, statt einem Blick in die Zukunft, dem Blick in die Entwicklung unserer Stadt, immer und immer wieder vergangenheitsbezogen und destruktiv argumentiert wird.
Wir halten es wie Albert Einstein: Mehr als die Vergangenheit interessiert uns die Zukunft, denn in ihr gedenken wir zu leben. Wir werden daher nicht müde werden, auch in Zukunft neue Projekte aufs Gleis zu setzen und begonnene fortzusetzen. Wie sehr es sich lohnt, zeigt der Blick auf den Bahnhof. Zugleich finden wir es wichtig, dass wir Bereiche definiert und priorisiert haben. Denn es sollen grüne Lungen erhalten bleiben. Alle Friedrichsdorfer Kinder müssen die Möglichkeit haben, in den Betreuungseinrichtungen mit der Holzeisenbahn zu spielen. Dem Ausbau der Kinderbetreuung, ganz besonders auch im Bereich der Schulkinderbetreuung gilt daher unser Augenmerkt. Wir sind daher froh, dass der Bau der Kindertagesstätte an der Bleiche starten kann, dass der neue Kindergarten des VzF in der Hugenottenstraße in der nächsten Woche endlich öffnet und die BetreutenGrundschulen in Friedrichsdorf und Burgholzhausen ihre Betreuungskapazitäten deutlich erweitern werden.
Unser Augenmerk liegt im Bereich der Kinderbetreuung auf einem Platzangebot, was den Zielen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht wird. Unser weiteres Augenmerk liegt auf qualitativ guten, pädagogisch wertvollen und altersgerechten Konzepten. Auf der Agenda des nächsten Jahres steht die Kindertagesstätten- und Gebührenordnung. Da sind wir selbstverständlich gerne dabei. Unter einer wesentlichen Maxime: Die Arbeitszeit im Budget der Kinderbetreuung soll direkt beim Kind ankommen. Bürokratiemonster – etwa bei der Gebührenerhebung oder Platzvergabe – lehnen wir ab.
Ich habe es vorhin schon gesagt: Der Houiller Platz sollte eigentlich bereits neugestaltet sein. Auf alle Fälle sollte die Planungswerkstatt abgeschlossen und die Weichen für eine Neugestaltung gestellt sein. Auch sollte die Stadtbücherei Anfang 2021 am neuen Standort öffnen. Doch dann kam Corona und der Bewilligungsbescheid des Landes ließ auf sich warten. Nach der anfänglichen Einigkeit bedauern wir, dass die neue Bibliothek am Houiller Platz nun offenbar nicht mehr von allen Fraktionen befördert wird. Schade. Wir zumindest freuen uns auf die neue Bibliothek, als Wissensstation für alle Friedrichsdorferinnen und Friedrichsdorfer und auch als neuen Treffpunkt für Jung und Alt. Wir freuen uns auf eine Bibliothek, die den Houiller Platz weiter beleben wird.
Apropos Treffpunkt: In den letzten Monaten – und auch im Vorfeld der Kommunalwahl – wurde immer wieder bemängelt, dass es zu wenig Orte gäbe, wo sich Heranwachsende treffen könnten. Am Sportpark sollte gar ein Jugendhaus gebaut werden. Parallel entstand bereits die Konzeption für das Jugendcafé in der oberen Hugenottenstraße, was glücklicherweise realisiert werden konnte. Kritische Worte – etwa alleine der Konzeption wegen auch beim Grillplatzantrag – führten schnell zum Vorwurf, die Friedrichsdorfer Jugend zu wenig im Blick zu haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten uns im nächsten Jahr mal der Frage widmen, was denn einen Platz zu einem Treffpunkt macht. Wird ein Platz zu einem beliebten Treffpunkt, nur weil wir ihn dafürhalten? Braucht es etwas, damit ein Treffpunkt entsteht? Ich beobachte regelmäßig, dass sich Jugendliche im hinteren Teil des Bahnhofsparkplatzes treffen. Da ist nichts, allenfalls ein paar Treppenstufen, ein leerer Parkplatz und Gebüsch. Der Park an der Bleiche ist auch so ein Beispiel: Der AK Öffentliche Plätze der Jugendvertretung hatte ihn als öffentlichen Platz für Jugendliche identifiziert. Ich selbst hielt ihn ebenfalls für einen Ort für eine gemütliche Runde – oder wie man heutzutage sagt: zum Chillen – im Schatten der Bäume. Bei der Haushaltssitzung in der letzten Woche wurde mir entgegnet, dass Jugendliche dort nicht willkommen seien. Ich wiederhole die Frage: Was macht also einen Platz zu einem Treffpunkt? Oder wer entscheidet, wo Jugendliche willkommen sind? Wir meinen – sie sind überall willkommen.
Ebenfalls einen Treffpunkt und wertvollen Bildungsauftrag erfüllt das Heimatmuseum. Auch hier gab es bei der Museumspädagogik Kürzungsbemühungen aus der Opposition. Wie passt es zusammen, dass wir uns immer wieder über fehlende Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche austauschen, zugleich aber hier Ansätze gekürzt werden sollen? … wir wissen es nicht.
Spätestens seit der Flutkatastrophe im Sommer ist es unübersehbar: Der Klimawandel ist in Deutschland angekommen. Die Notwendigkeit von Klimaschutz wird oftmals erst dann in seiner vollen Dimension sichtbar, wenn er nicht stattfindet. Dennoch gehört es zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung, uns den Belangen des Klimaschutzes inklusive der damit verbundenen Mobilitätsfragen zu stellen. Dazu gehört ein angemessenes Angebot des ÖPNV. Nicht nur des Klimas wegen. Aus unserer Sicht bildet ein leistungsstarkes Netz aus Bussen und Bahnen das Rückgrat einer nachhaltigen Mobilität. Auch wenn sie als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge Geld kosten. Angesichts der schwierigen Lage tragen wir jetzt eine besonders große Verantwortung. Wir müssen den Spagat schaffen: Einerseits die notwendigen Investitionen in die Zukunft der Stadt fortsetzen, die nötigen Ausgaben zur gemeinsamen Überwindung der Krise tätigen. Andererseits haben wir die Pflicht, alles zu tun, um möglichst schnell wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückzukehren. Auf direktem Wege – nicht über verwunschene Gleise.
Der Verwaltung danken wir für die Arbeit am Haushalt. Wir danken ebenfalls für die stets profunden Antworten auf unsere Fragen, ohne die eine Verabschiedung des Haushaltes heute nicht möglich wäre. In der Sitzung des HFWD hat sich gezeigt: es gibt unterschiedliche Strategien auf dem Weg zum Haushaltsausgleich. Auch wenn man das Vorgehen im letzten Jahr mit diesem vergleicht. Wurde letztes Jahr eine Erhöhung des Ansatzes von Beratungsleistungen beantragt, so wollte die selbe Partei den Ansatz in diesem Jahr kürzen. Das verstehe, wer könne. Wir vertrauen dem Magistrat, dass der vorliegende Haushalt den Haushaltsgrundsätzen – ganz besonders auch der Haushaltswahrheit – entspricht. Wir vertrauen darauf, dass der Magistrat mit den anvertrauten Mitteln verantwortungsbewusst und sparsam umgeht – so, wie wir es seit vielen Jahren erleben.
Die FWG-Fraktion wird dem Haushalt daher zustimmen. Ihnen allen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihren Familien, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt und allen engagierten Menschen in Friedrichsdorf wünschen wir eine schöne Weihnachtszeit. Kommen Sie gut und gesund ins neue Jahr. Möge das neue Jahr uns allen weniger ungeplante Haltestationen beschweren, möge unser aller Weg stets ohne Umwege ans Ziel führen.
Der Haushaltsplan für das Jahr 2022 kann auf der städtischen Homepage der Stadt Friedrichsdorf in Kürze eingsehen werden.
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